„Fade out“
Oliver Möst thematisiert in seiner Ausstellung „Fade out – Photogenic drawings 1996 & 2012“ die elementaren Grundbedingungen der Fotografie.
Wie in einer Art Lichtmalerei, hält er fotogrammartig das Schattenbild von Gegenständen, das sich durch das natürliche Sonnenlicht am Fenster seiner Studioarrangements ergibt, auf 50-Jahre altem, lichtempfindlich gewordenen Kopierpapier, fest. Diese erste Phase des Produktionsprozesses nimmt damit Bezug zur allgemeinen, aber auch oberflächlichen Betrachtung der Fotografie, als das Medium, das exemplarisch für das „fixierte Zeitalter“ steht, das Joseph Niecephore Niépce mit seiner ersten lichtbeständigen heliographischen Kopie eines graphischen Blattes bereits 1822 einleutete.
Wie Florian Rötzer im Band 129 des Kunstforums von 1995 unter genauerer Betrachtung konstatierte, wissen wir spätestens seit Roland Barthes Fotoessays, dass die Fotografie nicht nur das Verschwinden festhalten kann, sondern, dass die Fotografie genauer betrachtet nur ein vergängliches Abbildungszeugnis ist, denn ein Foto löst sich im Laufe der Zeit selbst auf: „Nicht nur teilt es das Schicksal des vergänglichen Papiers, es ist, auch wenn es auf härterem Material fixiert wird, um nichts weniger sterblich: wie ein lebender Organismus wird es geboren aus keimenden Silberkörnchen, erblüht es für einen Augenblick, um alsbald zu altern. Angegriffen von Licht und von der Feuchtigkeit, verblasst es, erschöpft es sich und verschwindet....“1.
Genau dieser Prozess des wieder Verschwindens - zumeist ein blinder Fleck in der allgemeinen phänomenologischen Betrachtung der Fotografie - interessiert Oliver Möst in seiner hier gezeigten künstlerischen Arbeit: So fokussiert er innerhalb der vier tägigen Ausstellungslaufzeit die etwas tiefer liegende Ebene der Vergänglichkeit von fotografischen Abbildungen. Dabei werden die Abbildungen nicht fixiert und das Sonnenlicht lässt diese Bilder während der Ausstellungslaufzeit auch wieder verschwinden, denn das einfallende natürliche Licht sorgt dafür, dass das Papier langsam immer dunkler wird: Das natürliche Sonnenlicht bringt also die Bilder hervor und lässt sie aber auch ebenso wieder verschwinden.
Um der Ebene des Verschwindens eine weitere Dimension hinzuzufügen, wählt Oliver Möst bewusst Motive, die für ihn in ihrer eigenen Funktion, selbst den Prozess der Vergänglichkeit in sich tragen. So werden bei ihm Alltagsgenstände wie Gewürze, Gemüse und Blumen oder Einkaufstüten, in seine ausgestellten Zyklen von abgebildeter Erscheinung und deren bildlicher Auflösung einbezogen.
Oliver Möst geht in seinen zweiteilgen Arbeit Photogenic drawings, die 19962 und 2012 entstanden sind also noch einen Schritt über die gewohnte Parameterabfolge der analogen Fotografie von Filmmaterial den Entwicklungsprozessen, bis hin zum fertigen Positiv hinaus, indem er deutlich den Fokus auf das natürliche Sonnenlicht als die unabdingbare Grundbedingung schlechthin, richtet.
Oliver Mösts hier gezeigte Arbeit führt uns somit zum Staunen über das grundlegende, magische Element der Fotografie zurück, das durch die massenhafte digitale Bilderproduktion heutzutage oft nur im Unterbewußten schlummert.
1 Florian Rötzer „Die technologische Dimension“ in KUNSTFORUM International, Band 129: „Die fotografische Dimension“, Seite 164.
2 Diese Arbeit wurde bereits bei einer Ausstellung in R.M.I.T Gallery in Melbourne/Australien 1996 realisiert.
Marcus Kettel